Sonntag, 21. August 2011

Paul Kossoff und die Stille zwischen den Tönen


Kürzlich habe ich den Film It Might Get Loud gesehen. In dem treffen sich drei Gitarristen, um gemeinsam übers Gitarrenspielen zu sinnieren; in einer Mischung aus Konzerthalle und Wohnzimmer, in einer merkwürdig sterilen, total prätentiösen Atmosphäre, offenbar fürs Kino produziert. Dabei erwischte ich mich bei der Frage nach meinem Lieblingsgitarristen - eine Frage, die mir komischerweise noch nie im Leben jemand gestellt hat - und fragte ich mich, ob dieser in solch einem Film mitgewirkt hätte, und ob er heute überhaupt noch musizieren würde; denn wäre er nicht schon in den 70ern gestorben, würde es ihm bestimmt nicht sonderlich gut gehen. Vielleicht würde er aber trotzdem noch immer so geniale Soli raushauen, wie zu seinen Lebzeiten. Wer weiß.

Ich konnte also noch nie Paul Kossoff! antworten. Völlig absurd eigentlich. Paul Kossoff, unvergessen und verehrt (von mir), Gitarrist der legendären Band Free und laut Rolling Stone auf Platz 51 der besten Gitarristen aller Zeiten.
Schon bei Free hatten ihn die Drogen fest im Griff. Nach Free gründete er, nach einer Solo LP, die Band Back Street Crawler. Die klang zwar immer seltsam blutleer, war als Spielwiese Kossoffs aber durchaus zu gebrauchen. Nach seinem Tod (irgendwo über den US-amerikanischen Wolken durch Herzversagen) erschien eine Doppel-LP, Koss, die sämtliche Stationen dieses unbeschreiblichen Gitarristen umriss und mich viele Jahre begleitete.

Ich bin überzeugt, dass Paul Kossoff, als er starb, seine besten Soli noch gar nicht gespielt hatte. Abgesehen davon, dass er, wie alle großen Gitarristen, einen ganz eigenen unverkennbaren Sound hatte, war er der Meister des Weglassens. Beinahe ein Miles Davis der Lead Gitarre. Man musste bei ihm also die Stille zwischen den Tönen "mit"-hören. Die war Teil des Ganzen. Es kam auch vor, das er einen Ton sekundenlang malträtierte (nicht die Gitarre, den Ton selbst) - und das war dann das ganze Solo! Und es war verblüffend; und es war grandios! Keiner konnte seiner Gitarre mit nur zwei, drei Tönen den Blues (oder auch den Soul) auf so unnachahmliche Weise entlocken.

Ein schönes Beispiel ist Come Together In The Morning. Das Solo im Mittelteil des Songs ist so herrlich minimalistisch, dass man sich unwillkürlich fragt, ob Kossoff über seiner Gitarre vielleicht eingeschlafen war und gerade so, in letzter Sekunde, hochschreckte, ohne wirklich zu wissen, wo er sich gerade befand, dass hier ein Album eingespielt wurde - und halb verschlafen spielte er einfach mal los, dachte, es würde schon irgendwie passen. Wer weiß - ist nur so ne amüsante Idee (ich wollte jetzt nicht das Bild bemühen, dass man ihn zu jeder Zeit in der Nacht aus dem Bett hätte holen können etc etc)... jedenfalls ist sein Gitarrenspiel derart voller Seele -- das konnte kein anderer so gut wie er, der Paul Kossoff! Der Mann war genial, ohne Frage und es ist sehr sehr schade, das er mit gerade mal 25 gestorben ist und nicht in dem Film It Might Get Loud mitmachen konnte. Da hätte er Jimmy Page, The Edge und Jack White mal so richtig das Fürchten lehren können! Auf seinem Grabstein steht übrigens "All Right Now".

Paul Kossoffs Diskografie ist schnell aufgezählt: er spielt auf allen Free-Alben mit und hat zwei eigene Alben unter dem Namen Back Street Crawler veröffentlicht. Es gibt das Doppelalbum Koss ebenso auf CD, wie eine von Island herausgegebene Kopplung namens Blue Soul.
Als Empfehlung neben Koss möchte ich aber das Album Kossoff, Kirke, Tetsu, Rabbit erwähnen, das in einer kurzen Phase, in der Free auf Eis lag, entstand, aber praktisch nichts anderes als Free 1972 minus Paul Rogers war - und noch immer großartig ist!

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1 Kommentar:

  1. Ich habe schon lange über das Gitarrenspiel und den Beitrag zur Musikgeschichte des Paul Kossoff nachgedacht.
    Deine kurze Beschreibung passt da voll in das Bild, welches ich von ihm habe.

    Ein schöner Text!

    beste Grüße, Richard mit der 325er

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